Cenk Korkmaz hat sein zweites Solo-Programm vorgestellt – in der Stadt, wo er aufwuchs
Von Klassenclown aus Töss zum Comedian im Casinotheater
Der 37-jährige Cenk Korkmaz hat sich innert sechs Jahren einen Namen gemacht als hintergründiger Comedian. Sein Witz ist nicht schrill und laut, sondern eher charmant-analytisch. Im Gespräch mit dem «Tössemer» sagt der Entertainer, der in Töss aufwuchs und auf jegliche Social-Media-Kanäle verzichtet, er möge den Zeigfinger nicht so sehr.
Immer wieder hört man dieses leise innere Lachen, beinahe ein Glucksen – das zieht sich durch das ganze Gespräch hindurch, das der «Tössemer÷ mit ihm, dem Tössemer Bueb, geführt hat. Auch auf der Bühne hört man dieses innere Grinsen. Cenk Korkmaz ist kein Comedian mit krachenden Schenkelklopfer-Humor, sein Witz kommt von innen und auf leiseren Sohlen.
Als er in Töss in den Kindergarten kam, konnte er kaum ein Wort Deutsch, aber er lernte schnell. Und spätestens ab der vierten Klasse, die er repetieren musste, galt er als Klassenclown. «Ich hatte damals durch Kollegen Otto Waalkes kennengelernt, und was der machte, fand ich extrem lustig, das inspirierte mich.» Weniger belustigt waren manche seiner Lehrerinnen und Lehrer. Er sei ein Pajass, fand einer, und Cenk verbrachte in der Folge immer wieder Lektionen vor der Tür. «Die Mütze des Klassenclowns behielt ich lange auf dem Kopf», sagt Korkmaz, was frühere Mitschülerinnen aus der Sek bestätigen: «Wenn irgendwas passierte, musste immer er den Kopf hinhalten.» Aber offenbar sind Lehrkräfte nicht nachtragend. Manche kamen später zu seinen Auftritten und hätten sich kaum mehr an seine Sprüche und Faxen erinnert, erzählt er.
Beinahe die Mittelschule versemmelt
Nach der Sek im Schulhaus Rosenau (wie schon nach der Primarschule) hätte er eigentlich gerne an die Mittelschule gewechselt, fiel aber immer wieder durch die Prüfung. Als es im allerletzten Moment doch noch klappte nach der Mündlichen mit einer unerwarteten 5 in Mathe («In Deutsch war ich immer gut»), da hatte es in der Handelsmittelschule in Winterthur keinen Platz mehr für ihn. Er ging stattdessen nach Zürich, zuerst in die Kantonsschule Enge, dann ein Semester in die private Juventus, wieder zurück in die Enge, wo er kurz vor dem Abschluss abermals rausfiel, worauf der Rektor der Kanti Hottingen fand, so etwas dürfe doch nicht sein, und ihm einen Platz in seiner Schule anbot – mit strengen Spezialregeln. Diese letzte Chance nutzte Korkmaz, er konnte die Mittelschule doch noch beenden – die Eltern atmeten auf.
Später studierte er Wirtschaftsrecht, schrieb zwei Kinderbücher, war Texter in einer bekannten Werbeagentur, zog irgendwann nach Zurzach und lebt heute von der Comedy, vom Kolumnen-Schreiben (monatlich imm«Tagi») sowie von der Mitarbeit beim Radio und bei Film-Drehbüchern. Erst im März 2018, also mit über 30, hatte er seinen ersten offiziellen Auftritt als Come0dian im Rahmen der Casinotheater-Reihe Rampensau. Doch was ihm in der Bühnen-Welt am meisten geholfen habe, sagt er, sei der Sieg im Kabarett-Casting 2020 in Olten gewesen: «Das ist nicht nur der am höchsten dotierte Kabarettpreis, sondern das öffnete mir auch die Türen zu vielen Kleintheatern». Er war im «Zelt» zu Gast, stand im Bernhard-Theater auf der Bühne, und gilt mittlerweile auch im Fernsehen SRF als recht etabliert. Die SRF-Schlagzeile allerdings, Cenk sei «der neue Stern am Comedy-Himmel», fand er selber reichlich hilflos formuliert: «Solche Floskeln zeigen einen Mangel an Worten.»
Die Nervosität und das Angstbisi
Und nun also war Anfang April im Casinotheater die Premiere seines zweiten vollen Soloprogramms mit dem Titel «Ratlos» – das passt. Cenk Korkmaz sieht sich vielen Absurditäten des Lebens gegenüber ratlos. Wie konnte es evolutionsgeschichtlich geschehen, dass Menschen unter Stress den Druck empfinden, ein «Angstbisi» loswerden zu müssen? «Wenn Steinzeitmenschen einem Säbelzahltiger begegneten, wären Fortrennen oder laut Schreien wohl die bessere Reaktion gewesen als sich in die Hose zu machen». Als Absurdität entlarvt Cenk dann auch das Märchen von Rotkäppchen und dem Wolf; Schritt um Schritt zerpflückt er die unglaubhafte Geschichte mit der Grossmutter und kommt zum Schluss: «Ich habe null Mitleid mit ihr.»
Cenk knüpft eine Geschichte an die andere, der Traum vom Fussball-Länderspiel Schweiz-Türkei, die haushalttechnischen Unterschiede zwischen Mann und Frau beim Verräumen einer offenen Chipstüte oder auch der unsinnige Werbespruch für eine Pringles-Chipsröhre. Er analysiert die Sprache, die Verhaltensmuster, die Klischees: Alles messerscharf und mit Lockerheit, nie mit der Moralkeule. «Der Zeigfinger widerstrebt mir, ich bin grundsätzlich lieber konstruktiv und positiv», sagte Korkmaz im Gespräch.
Höhepunkt und immer wieder Anknüpfungspunkt im Verlauf des zweistündigen Programms sind die Hochzeit und dann die wichtigen Offenbarungen während der Schwangerschaft einer Cousine – die «Gender Re- veal Party» zum Beispiel, wo dem familiären Publikum in festlichem Rahmen das Geschlecht des erwarteten Nachwuchses offenbar wird: zum Schreien lustig – wenns Cenk erzählt.
Im Mai fanden sechs weitere Vorstellungen in der ganzen Schweiz statt, im September geht die Tournee weiter, und erste Daten im nächsten Jahr sind auch schon fixiert. Cenk hat Zukunft.
Martin Gmür