Das Tram nach Töss vor dem Gasthaus Hirschen um ca. 1950 (Bild: winbib)

125 Jahre öffentlicher Verkehr inWinterthur und Töss

Vom Rösslitram zum Trolleybus

Vor 125 Jahren wurden in Winterthur vier Rössli-Tramlinien eröffnet. Die schienenlosen Zweispänner verkehrten vom Bahnhofplatz nach Veltheim, Stadtrain, Talgut sowie nach Töss. Anlass dazu gab das im gleichen Jahr in Winterthur durchgeführte Eidgenössische Schützenfest. Die Endstation der Linie nach Töss befand sich beim ehemaligen Gasthof «Hirschen». Eine Fahrt kostete für damalige Verhältnisse den stolzen Preis von 30 Rappen. Die Inbetriebnahme des Rösslitrams wurde nur deshalb möglich, weil Jules Settelen, der Besitzer der Tramway-Omnibusgesellschaft Basel durch die Einführung der elektrischen Strassenbahn in der Rheinstadt gewissermassen brotlos geworden war und kurzfristig samt Pferden und Wagenmaterial nach Winterthur umziehen konnte. Die Stadt überliess ihm für die rund 30 Pferde die Stallungen in der alten Kaserne. Doch nach dem Schützenfest rentierte der Betrieb nicht mehr und nach und nach wurden die einzelnen Linien wieder aufgehoben. Am 12. April 1897 erfolgte die gänzliche Einstellung des Betriebes.

Einführung des elektrischen Trams

Schon am 13. Juli des folgenden Jahres konnte aber die erste elektrische Tramlinie zwischen Winterthur und der damals noch selbständigen Gemeinde Töss eingeweiht werden. Die Endstation in der Stadt befand sich an der Rudolfstrasse, bei der Einmündung der Paulstrasse. Erst nach dem Bau der Zürcher Unterführung im Jahre 1912 konnte die Linie zum Bahnhofplatz verlängert werden. In Töss befand sich die Endstation beim Restaurant «Gerwe», also vor der Barriere an der Zürcherstrasse. Von dort führte ein Dienstgeleise zur Remise, die auf der sogenannten Klosterwiese an der Ecke Zürcherstrasse/Klosterstrasse stand. Laut Verfügung des Eidgenössischen Eisenbahndepartements durfte die Linie der Nordostbahn Winterthur-Bülach nur morgens und abends für Leerfahrten gekreuzt werden. Es soll aber doch ab und zu vorgekommen sein, dass die Trämler, die fast alle in Töss wohnten, ein Auge zudrückten und auf diesem Streckenabschnitt Personen beförderten. Die Remise wurde 1911 durch einen Brandausbruch teilweise zerstört und schliesslich 1914 durch das Tramdepot Deutweg ersetzt.

Der Wagenpark bestand anfänglich aus drei Motor- und zwei Anhängerwagen mit je 16 Sitz- und 14 Stehplätzen. Einer der Anhänger wurde aber schon bald zum Motorwagen umgebaut. Wagenkasten und Fahrgestelle lieferte die Industriegesellschaft Neuhausen und den elektrischen Teil die Maschinenfabrik Rieter. Die Anschaffungskosten eines mit einem 20-PS-Rieter-Motor ausgerüsteten Tramwagens beliefen sich auf 12’387 Franken. Die Farbe der Trams war bis 1937 grün, dann erhielten sie nach und nach einen roten Anstrich. Das Personal bestand anfänglich aus elf Festangestellten und sieben Aushilfen.

Umstellung auf Trolleybus

Am 3. November 1951 wurde die Linie Hauptbahnhof-Töss als letzte auf Trolleybus umgestellt. Die Tössemer Vereine liessen sich zu diesem Ereignis etwas ganz Besonderes einfallen. Das letzte Tram wurde als «Schüttelbecher» bezeichnet; von vier Pferden in die Stadt und schliesslich ins Depot Deutweg gezogen. Bunt gekleidete Fahrgäste, vor allem Mitglieder des Dramatischen Vereins, hatten im Tramwagen Platz genommen. Eine grosse Menschenmenge begleitete den Tross zum Teil bis ins Depot. Noch Jahre nach der Umstellung vom Tram- auf Trolleybusbetrieb erinnerten die Schienen in der Zürcherstrasse an die «gute alte Tramzeit». Die Wendeschlaufe des Trolleybusses befand sich anfänglich vor der Barriere. Erst nach dem Bau der Unterführung im Jahre 1965 konnte die Linie bis zur Einmündung der Klosterstrasse in die Zürcherstrasse verlängert werden.

Die Entwicklung im öffentlichen Verkehr

Seit diesem Ereignis hat sich bei den Verkehrsbetrieben einiges verändert. Am 3. Oktober 1963 erhielt Winterthur einen Anschluss an den Flughafen Zürich-Kloten. Seit Jahren fährt der Bus allerdings nur noch bis zur Bahnstation Bassersdorf. Sie dient aber auch den Bewohnerinnen und Bewohnern des Steig-Quartiers als Verbindung nach Töss und in die Stadt, nachdem die 1982 eröffnete Linie vom Hauptbahnhof in die Steig unlängst wieder eingestellt wurde. Aber auch das Dättnau ist via Schulhaus Rosenau mit der Linie 5, ebenso das Schlosstal mit der Linie 7, gut erschlossen. Anfänglich führte diese Linie vom Eichliacker zum Lindenplatz, seit Jahren aber zur Bahnstation Wülflingen und auf der anderen Seite bis Elsau. Wir können uns also in Töss über die Dienstleistungen der Verkehrsbetriebe nicht beklagen. Manchmal verkehren fast zu viele Busse auf der Zürcherstrasse.

Henry Müller*

*Henry Müller war Redaktor der Quartierzeitung „De Tössemer“, Präsident der SP Töss und Verwaltungsratspräsident von Coop Winterthur

Im Restaurant Hirschen (Aufnahme ca. 1950) wurde am 18. Februar 1865 der Arbeiterverein Töss gegründet.

«Der Verein stellt sich die Aufgabe der Einigung und Brüderlichkeit unter den Arbeitern. Er verfolgt diesen Zweck auf dem Wege der Unterhaltung, Bildung, über Arbeiterinteressen und allgemein wichtige Fragen sowie durch Sammlungen materieller Hilfsmittel zur gegenseitigen Unterstützung und Handreichung bei vorkommender Not oder in schwieriger Zeit. Endlich erklärt er sich einverstanden mit den Bestrebungen für einen einheitlichen schweizerischen Arbeiterverband und nimmt bei seiner Organisation darauf Rücksicht. Der Verein ist bestrebt nach besten Kräften zur weiteren Ausdehnung der Arbeiterverbindungen zunächst im Kanton Zürich und auf der Grundlage obiger Prinzipien zu wirken».