Elif Akyol: «Wir handicapierten müssen kämpfen»

Sie ist 26, ist seit Geburt körperlich handicapiert und kann sich nur mit einem Rollstuhl fortbewegen: Elif Akyol. Am 12. Februar 2023 kämpft sie bei den Kantonsratswahlen im Kanton Zürich auf der Liste 2 der SP Winterthur. «Noch gibt es überall zu viele bauliche Hindernisse, die beseitigt werden müssen. Und viele Menschen nehmen dich im Rollstuhl einfach nicht ernst. Hier sehe ich den Schwerpunkt meines Engagements», sagt sie im Gespräch. Es sei unverständlich, dass auch in öffentlichen Einrichtungen wie zum Beispiel dem Schwimmbad Töss kein Zugang zum Bad für rollstuhlabhängige Menschen bestehe.

Aber es sind nicht nur ihre körperlichen Beeinträchtigungen, die sie motiviert haben, politisch aktiv zu werden. «Meine Eltern sind Alewiten, die in den 1980er Jahren aus der Osttürkei flüchteten. Ihr Asylverfahren dauerte jahrelang, und die ganze Familie litt unter der Unsicherheit. Ich selbst wurde in der Schweiz geboren und bin Schweizerin. Trotzdem finde ich es wichtig, dass man Flüchtlingen gegenüber ein offeneres Verhältnis hat und sie besser behandelt.»

Der dritte Bereich, in dem sie sich vor allem betätigen will, ist das Gesundheitswesen. «Ich habe viele Jahre in Spitälern und Heimen verbracht. Ich wurde x-Mal operiert. Ich weiss, was Abhängigkeit bedeutet. Und ich habe gesehen, wie das Personal in den Spitälern arbeiten muss und immer stärker und Druck gesetzt wurde.»

Elif Akyol hat selbst erfahren, was es heisst, wegen Beeinträchtigungen grosse Teile der Schulzeit zu verpassen. «Es braucht mehr Angebote, wie man das nachholen kann.» Auch sie selbst will sich weiterbilden. «Wenn wir Handicapierten uns mehr bilden können, profitiert die ganze Gesellschaft. Wir durch ein selbstbestimmteres Leben, die anderen dadurch, dass wir weniger kosten.»

Hat sie keine Angst, im Wahlkampf oder danach wegen ihrer Beeinträchtigungen in der Politik nicht ernst genommen zu werden? «Ich bin nicht allein, Ich habe mich mit anderen Menschen in der SP, welche mit Beeinträchtigungen politisieren, vernetzt. Und die Reaktionen auf meine Kandidatur waren sehr positiv. Ich erhalte viel Unterstützung, auch von der SP. Ich musste mir in den letzten Jahren vieles erkämpfen. Meine Eltern mussten sich vieles erkämpfen. Wir Handicapierten müssen kämpfen.» Und das wird sie auch weiterhin tun – egal ob sie denn am 12 Februar gewählt wird oder nicht.

Matthias Erzinger