Ein guter Mensch von Töss
Tuck – tuck – tuck. Man hört das Tuckern im Chrugeler und weiss: jetzt biegt dann das Vespa-Dreirad-Wägelchen um die Ecke. Vorne in der Kabine, meist fröhlich lachend, sitzt Heiri Keller, er grüsst freundlich, biegt um die nächste Ecke. Das Tuckern wird leiser. Inzwischen ist es ganz verstummt. Heiri Keller ist gestorben. Still und leise, zurückhaltend, immer eher etwas im Hintergrund – so ist er auch aus dem Chrugeler entschwunden, wo er über dreissig Jahre gelebt hat. Rund ein Jahr hat er am Krebs gelitten. Noch im Herbst ist er vom Kantonsspital mit einem Rollator nach Hause an die J. C. Heerstrasse gelaufen. Warum auch ein Taxi nehmen? Er hat ja Zeit.
Nach Winterthur ist Heiri der Liebe wegen gekommen. Aufgewachsen ist er aber im Knonaueramt. Seine Lehre macht er in den Sechzigerjahren bei der Wagon-Fabrik Schlieren als Maschinenzeichner gemacht. Unter anderem entwirft er einen Abfallbehälter für die SBB-Wagen. Und wenn die SBB heute einmal einen Ersatzzug aus alten Wagen bereitstellt, kann man diese Abfallbehälter noch bewundern.
Er bleibt nicht beim Zeichnen, holt die Matura an der Kantonalen Maturitätsschule für Erwachsene nach, wird Primarlehrer. Dumm nur, dass es keine freien Stellen hat, wie er Mitte der Siebzigerjahre fertig wird. So arbeitet Heiri im Widder-Kollektiv zuerst als Koch, dann hilft er bei der Renovation, wechselt zur ARBA-Genossenschaft – und der Bauhandwerker Heiri Keller, der fast alles macht und immer eine günstige Lösung findet, ist geboren.
Tuck – Tuck – tuck. Das Hämmern auf der Veranda tönt fast wie das Vespa-Wägelchen. Rund zwei Jahre ist es her, Heiri repariert eine kleine Treppe. Auch nach 65 ist er der Bauhandwerker geblieben, einfach etwas reduziert. Wir sitzen beim «Kafi» zusammen, er erzählt von den Velotouren, die er mit seiner Partnerin Regula unternimmt. Seine erste Velotour startete er vor vielen Jahren mit dem Dreirad. Er will seine Tante in Zürich besuchen, wird aber daran gehindert.
Wir diskutieren über Politik, er weiss eigentlich alles. Er ist eine Leseratte, liest Zeitungen, täglich, lange, intensiv. Am 1. Mai ist Heiri immer dabei, bei der Kundgebung, beim Fest. Er gehört zum Inventar, aber drängt nie nach vorne. Er lächelt, er hilft.
Er wollte dann eigentlich nochmals ins Tessin, ins Onsernonetal. Zum Häuschen hoch am Hang, wo er regelmässig zum Rechten sieht, ausbessert und gleichzeitig die Ruhe geniesst.
Heiri geht nicht mehr auf den Berg. Er wird krank, der Krebs packt ihn, lässt ihn nicht mehr los. Heiri bleibt der freundliche, liebenswerte Mensch der er immer war. Auch die Krankheit scheint ihn nicht aus der Ruhe zu bringen. Er lehnt sich dagegen auf, so lange es geht. Am 9. Februar stirbt er im Alter von fast 69 Jahren. Tuck – tuck – tuck.
Er war einfach ein guter Mensch von Töss.