Amt für Städtebau will Autobahn in den Berg verlegen

Chance für eine späte Wiedergutmachung

Am 13. April 2022 hat das Amt für Städtebau über den aktuellen Stand des «Masterplans Winterthur Süd» informiert. Wenn die Stadt ihre Haltung zum 6-Spurausbau der A1 durchsetzen kann, bietet dies für Töss eine einmalige Möglichkeit, den Schaden zu reparieren, der in unserem Quartier vor fast sechzig Jahren angerichtet wurde.

Gegenwärtig wird die A1 um Winterthur so umgebaut, dass bei Bedarf der Standstreifen als Fahrspur genutzt werden kann. Dies ist aber nur ein Provisorium, schon lange hat der Bund beschlossen, dass die Umfahrung Winterthur auf sechs Spuren mit zusätzlichen Pannenstreifen ausgebaut werden soll. Vor einem Jahr berichteten wir hier, dass die Stadt mit dem vom Bundesamt für Strassen (ASTRA) geplanten Ausbau der A1 nicht zufrieden ist. Das Projekt des ASTRA wollte die bestehende Linienführung beibehalten und um die zwei zusätzlichen Spuren verbreitern, womit die Schneise, die vor 60 Jahren durch Töss geschlagen wurde, noch breiter und weitere Teile des Quartiers zerstören würde. Die Vorgeschichte Blicken wir kurz zurück: Gegen den Willen der Tössemer Bevölkerung und des Stadtparlaments wurde die Autobahn damals durch das Schlosstal geplant. Der anfangs noch vorgesehene Tunnel durch den Ebnet wurde bei der Detailplanung aus Spargründen weggelassen und der Flussraum der Töss mit der N1 weitgehend zerstört (siehe Kasten). Statt diese Zerstörung durch zwei weitere Fahrspuren noch weiter zu treiben, verlangt nun die Stadt, dass der Ausbau der A1 zu einer Reparatur der angerichteten Schäden genutzt wird. Es konnte schon letztes Jahr erreicht werden, dass das bisherige Projekt gestoppt wurde und bis 2023 neue Aspekte eingebracht werden können, um anschliessend ein neues Projekt ausarbeiten zu können. Winterthur ist daran, seine Hausaufgaben zu lösen und den erwähnten «Masterplan Winterthur Süd» zu erarbeiten.

Der Masterplan für Töss – ein Befreiungsschlag

Dieser Masterplan sieht eine grundlegende Umgestaltung des heute durch die Autobahn und die Autobahnzubringer geprägten Raums vor. Der Befreiungsschlag basiert auf drei Entscheiden:
• Der ursprünglich geplante Tunnel durch den Ebnet wird doch noch gebaut.
• Der Autobahnanschluss Töss wird in zwei Halbanschlüsse aufgeteilt, von und nach Zürich etwa am aktuellen Standort, von und nach St.Gallen im Ebnet mit einer Verbindung zur Schlosstalstrasse.
• Die im Richtplan eingetragene SBB-Haltestelle Försterhaus wird nach Süden bis zur Höhe Dättnauerstrasse verschoben.

Dies tönt sehr radikal, aber auch beim ursprünglichen ASTRA-Projekt müssten zwischen Steigmühle und dem Schlosstal weite Gebiete – etwa alles was zwischen Autobahn und Ebnet liegt – umgepflügt und alle bestehenden Brücken neu gebaut werden. Für Töss brächte der vorgeschlagene Masterplan folgendes:

• Die Töss wird von der Autobahnüberbauung befreit, der Flussraums wird aufgewertet.
• Durch die A1 im Tunnel kann die Lärmbelastung massiv reduziert werden.
• Es entsteht eine Drehscheibe für öffentlichen und individuellen Verkehr am südlichen Stadteingang.
• Der heute abgehängte Stadtteil Dättnau/Steig wird räumlich mit der Stadt verbunden.

Das Ziel des Amtes für Städtebau ist es nun, diesen Masterplan bis August dieses Jahres soweit auszuarbeiten, dass er vom Stadtrat verabschiedet werden kann. Parallel dazu laufen bereits die Prozesse, damit der kantonale Richtplan den neuen Erkenntnissen angepasst wird. Auch mit allen involvierten Ämtern und Behörden sowie ASTRA und SBB werden bereits Gespräche geführt; frühestens 2023 wird mit der Überarbeitung des Ausbau-Projekts begonnen.

Statt aussenrum, hinein in den Berg. Das ASTRA möchte die Autobahn um zwei weitere Spuren erweitern. Das Amt für Städtebau möchte die Autobahn in den Berg verlegen und dafür die freiwerdenden Flächen für die Stadtentwicklung nutzen. (Bild: me)

Ein Ortstermin

Die SP Töss liess sich die Ideen des Masterplans anlässlich einer Velo-Rundfahrt von Stadtbaumeister Jens Andersen erläutern. Besonders beim Halt auf der Überführung, wo Autobahn und Zubringerstrassen auf verschiedenen Ebenen die Töss überqueren, wurden das Mass der damaligen Zerstörung und das Potenzial der vorgeschlagenen Lösung sichtbar. Heute ist die Töss eingedolt, der Flussraum unzugänglich und unattraktiv, das letzte erhaltene Gebäude des ehemaligen Klosters Töss wird vom Strassenraum erdrückt. Der Masterplan sieht vor, dass die Autobahn im Tunnel verläuft, der Flussraum samt Klosterbau freigespielt wird und statt der Zubringerstrassen wieder einfach die Zürcherstrasse über eine Brücke durch ein neues, vielfältiges Siedlungsgebiet bis zur Steigmühle führt. Zwischen dieser Zukunft und der heutigen Realität liegen Welten. Diese Aussicht war sogar für jene SP-Miglieder attraktiv, die grundsätzlich den Ausbau der Autobahn ablehnen.

Werner Frei