Der stille Schaffer schaffts auf den Bock im Rathaussaal
Felix Helg ist der «höchste Winterthurer»
Der Tössemer FDP-Politiker Felix Helg (59) ist seit kurzem Parlamentspräsident und damit für ein Jahr – wie man sagt – «der höchste Winterthurer». Wir haben ihn gefragt, was ihm diese Wahl bedeutet, ob er sich im Zweifelsfall – zum Beispiel bei Tempo 30 im Zentrum von Töss – eher für die FDP oder für sein Quartier entscheidet. Und: Was braucht es, bis Helg als höflicher Mensch auch mal laut wird?
Felix Helg, wir gratulieren zur Wahl zum höchsten Winterthurer und fragen Sie gleich ganz direkt: Ist das nach bald 18 Jahren im Stadtparlament nun der Höhepunkt ihrer politischen Karriere, oder ist es gleichzeitig auch das Ende?
Es ist sicher ein Höhepunkt und eine Ehre, wenn man dieses Amt ausüben darf. Wie es danach politisch für mich weitergeht, entscheide ich nach dem Präsidialjahr.
Man weiss, dass so ein Präsidialjahr sehr anstrengend sein kann. Denn Sie werden nicht nur die Sitzungen leiten, sondern auch an Aberdutzenden Veranstaltungen teilnehmen – ob sie nun wollen oder nicht. Und Sie haben ja bereits Erfahrungen gesammelt…
…genau; ich habe im letzten Amtsjahr die Parlamentspräsidentin dann und wann vertreten, beispielsweise bei zwei Dorfeten eine Grussbotschaft überbracht oder bei anderen Anlässen, wo die Präsenz der Politik erwünscht war, ohne dass ich das Wort ergriffen habe.
Welche Botschaft werden Sie bei all diesen Besuchen bei Vereinen oder Dorfeten mitbringen, was sagen Sie den Leuten dort?
Es kommt immer auf den Anlass an und welche Leute dort aktiv sind. Bei den beiden Dorfeten zum Beispiel, wo ich die Präsidentin letztes Jahr vertreten durfte, habe ich die Bedeutung der Freiwilligenarbeit betont, die den Zusammenhalt im Quartier oder im Stadtkreis stärkt. Es ist quasi die politische Würdigung der Freiwilligen durch den obersten Vertreter der Stadt. Man zollt all diesen aktiven Leuten damit Respekt.
Nun sind Sie persönlich nicht so der Typ Festbruder, der mit einem Bierhumpen allen zuprostet, sondern eher ein stiller Mensch. Wie werden Sie sich in einer Festhütte verhalten, wenn sie ihre Rede halten oder Grüsse überbringen?
Man muss sich vorbereiten und sich kundig machen, was für Leute dort sein werden, was in etwa erwartet wird, und was das Thema des Anlasses ist. Ich werde gegebenenfalls auch meine Vorgängerin fragen, was zu erwarten ist.
Unter Umständen können das hundert Anlässe oder noch ein paar mehr sein in einem Jahr. Da steckt man also recht viel Zeit und Kraft in dieses Ehrenamt, wenn man sich vorbereitet und nicht nur den Grüssaugust spielt?
Wie gesagt: Nicht an jedem Anlass wird eine Rede erwartet; das klärt man jeweils vorgängig ab. Häufig wird auch einfach der Kontakt zur Politik, zum Vertreter der Politik gesucht, man wird in Gespräche verwickelt und um seine Meinung gefragt, da gibt es nichts vorzubereiten. Jeder Anlass kann wieder anders sein.
Sie sind nicht gerade bekannt als Polderi-Politiker, der mit bösen Worten die Konkurrenz zu Boden redet. Aber nun müssen Sie das Stadtparlament leiten: Was werden sie für ein Präsident sein? Einer, der wenn nötig auch mal laut wird?
Ich habe eine gewisse Erfahrung, weil ich schon zwei Mal Kommissionen präsidierte. Wir hatte da auch schwierige Geschäfte zu besprechen, da ist es von Vorteil, wenn man analytisch denkt. Man muss die Sitzungen immer gut vorbereiten, da war ich auch im letzten Amtsjahr schon mit dabei als Vizepräsident. Man schaut, welche Anträge zu erwarten sind, man bespricht die Reihenfolge der Rednerinnen und Redner. Natürlich kann es immer auch Überraschungen geben, und da denke ich: Meine Erfahrung kann helfen. Ich kann abschätzen, welche Konstellationen zu Problemen führen können und wie man Situationen entschärft; das kann auch mal eine Pause sein, die man einschaltet.
Eine Frage, die weniger das Ratspräsidium betrifft, aber Ihre Rolle als FDP-Vertreter und Tössemer. Gibt es da keine Interessenskonflikte? Als FDP-Parlamentarier sind Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen Tempo 30 auf der Zürcherstrasse, die mitten durch den Stadtkreis führt. Als Tössemer könnten Sie auch für Tempo 30 sein. Wie löst man ein solches Dilemma?
Die Tempo-30-Frage hat sich bisher in dieser Form nicht gestellt, aber davon abgesehen ist es so: In der Regel hat man keine abweichende Grundhaltung zur Fraktionsmeinung, sonst wäre man ja in der falschen Partei. Sollte es zu so einem Konflikt kommen, hat jede Fraktion ihre eigenen Regeln, wie das zu handhaben ist. Bei uns in der FDP ist es so: Man meldet den Widerspruch an, vielleicht kann man die Kollegen auch überzeugen. Bleibt der Widerspruch bestehen, hat man das Recht, sich der Stimme zu enthalten. Und wenn die Frage so entscheidend ist, dass es zur Gewissensfrage wird, kann man auch dagegen stimmen.
In ihrem Internet-Auftritt heisst es: «Ich stehe ein für eine Verkehrspolitik ohne Denkverbote.» Doch gerade in der Verkehrspolitik gibt es Denkverbote. Linksgrün hält Tempo 50 in der Stadt mittlerweile generell für zu schnell, von bürgerlicher Seite heisst es: Niemals Tempo 30 auf Hauptverkehrsachsen. Jetzt müssten doch Sie kommen und sagen: Weg mit Denkverboten; wir machen Tempo 40. Richtig?
Das müsste man wohl im Detail anschauen. Wichtig ist doch, dass jede Art von Verkehr fliesst, auch der Bus. Man müsste eine solche Frage also vor Ort im Detail anschauen, was die Auswirkungen von diesem oder jenem Tempo sind. Ich kann mir vorstellen, dass es gewisse Situationen gibt, wo eine Temporeduktion gerechtfertigt und richtig ist, aber nicht einfach generell, wie es jetzt die linken Parteien fordern.
Sie sind bekannt als eher ruhiger Typ, man hat Sie noch kaum je gesehen, wie sie laut werden. Gibt es Situationen, in denen Sie ausrasten oder wo sie gerne ausrasten würden?
Solche Momente gibt es sehr wohl, aber ich habe mich emotional meist gut im Griff. Ausraster sind wohl in den meisten Fällen nicht zielführend.
…und wenn sie dann nach Hause kommen, nach einer Situation, in der sie die Explosion vermeiden mussten: Was passiert dann? Sind Sie so gefasst wie immer?
Ich glaube, solche Emotionen bauen sich bei mir schon auf dem Heimweg ab. Man muss es ja auch realistisch sehen: Politik ist ein Feld, auf dem man mit Argumenten kämpft und überzeugen will. Aber die demokratischen Regeln bringen es mit sich, dass man auch mal verliert. Damit habe ich keine Probleme, ich kann mich gut abregen. Und die Diskussionen hier in Winterthur sind ja meist sehr respektvoll – das soll so bleiben.
Interview: Martin Gmür
Das Interview ist ein Vorabdruck aus der Ausgabe der Quartierzeitung De Tössemer von Ende Mai 2024