Ein Familienbetrieb, verwurzelt in Töss: Elektro-Installateur Stefan Gerteis
«Grossbaustellen waren und sind nicht meine Welt»
Man darf getrost von einer Tradition sprechen: Seit 103 Jahren kümmert sich die Firma Gerteis aus Töss um Kabel und Steckdosen, um Strom und Elektrotechnik, um Notfälle und Planungen. Wir waren zu Besuch bei der vierten Generation Gerteis an der Zürcherstrasse, wo einst auch das Kino Eden lag.
Der Eingang zum früheren Kino Eden existiert noch, und etwas weiter hinten im Haus sind auch die beiden Toiletten noch erhalten, wo man damals in der Pause das Spannungsbisi loswerden konnte. Der Kinosaal darüber aber ist längst zum Wohnraum umfunktioniert worden. Hier im Haus Eden ist die Firma Gerteis seit einer gefühlten Ewigkeit zu Hause. 1922 hatte der Urgrossvater des jetzigen Firmenchefs ein Elektroinstallationsgeschäft an der Schneidergasse, neben dem heutigen Zentrum Töss, übernommen. Und schon 1929 war dieser Emil Gerteis Senior Teil eines Baukonsortiums, das den Kinokomplex «Eden» mit Wohnungen und Läden baute. Seither sind Geschäft, Werkstatt und Büro samt dem schönen Schriftzug der Firma Gerteis dort angesiedelt, im Haus Eden an der Zürcherstrasse 96.
«Grossbetrieb ist gar nicht meine Sache»
In den hellen, grosszügigen Büros hinter den Sonnenstoren, wo einst das Verkaufsgeschäft lag, treffen wir Stefan und Tanja Gerteis, sie 41-jährig, er 47. Das Ehepaar führt die Familienfirma seit 2017 in der vierten Generation. Vier Monteure und zwei Lernende sind angestellt, eine der Lernenden hat zuvor das Gymi absolviert. Die Firma war auch schon bedeutend grösser, doch Stefan Gerteis strebt nicht nach immer mehr. «Ein, zwei zusätzliche Monteure wären gut. Doch es ist schwierig, Leute zu finden; und gute Leute zu finden, ist noch schwieriger.» Und er strebt auch nicht nach Grossaufträgen: «Der Preiskampf ist dort immens; ich will und kann mir das nicht leisten.» Zudem habe er selber in einem Grossbetrieb in Zürich gearbeitet und schnell realisiert: «Das ist nicht meine Welt, mir passt das Familiäre.» Das Wort Familienbetrieb, das mag er, das Kleine – «weil wir dann nahe am Kunden sind». Natürlich sei auch hier der Preisdruck da, aber der Fokus sei ein anderer: «Wir wollen die Kunden zufrieden stellen, nicht das Maximum rausholen.»
Gut vernetzt sein hilft
Nebst der Stammkundschaft sei auch die Vernetzung wichtig. Zum Netzwerk gehören einerseits Architekten und andere Tössemer Handwerksbetriebe wie Heusser Feuer & Keramik oder Baur die Maler. Er selbst, sagt Stefan Gerteis, habe zudem lange Jahre in der Jungen Wirtschaftskammer mitgemacht, und heute sei er in einem Serviceclub aktiv, im Turnverein und im Fussballclub Töss sowie im Vorstand der Schwimmbadgenossenschaft Töss: «Solche Netzwerke helfen uns als kleinem Betrieb». Aber am wichtigsten sei gleichwohl die Kundenzufriedenheit: «Wer mit unserer Arbeit zufrieden ist, wird ein nächstes Mal wieder uns berücksichtigen.»
Kritik an der Politik – aber auch ein Lob
Und als wie hilfreich schätzt Gerteis die Politik ein, insbesondere den Stadtrat? «Nicht ausgesprochen KMU-freundlich», sagt er und gibt ein Beispiel: Wenn nun – was diskutiert wird – die Zürcherstrasse strenger reglementiert würde und ein Abbiegen von der Werkstatt nach links stadteinwärts nicht mehr möglich wäre, würde das dem Betrieb schaden. Denn die Zufahrt durchs Wohnquartier hinter dem Betrieb wurde schon wacker beschnitten. Ein Umzug weg von der Zürcherstrasse kommt für das Ehepaar Gerteis gleichwohl nicht in Frage: «Die Liegenschaft ist in Familienbesitz, wir haben viel Platz sogar für ein grosses Lager und für die Werkstatt – uns ist es wohl hier.» Nebst seiner Kritik an der Politik findet Stefan Gerteis auch lobende Worte für die Stadt: «Seit die Pendler dank der Blauen Zone nicht mehr in den Quartieren parkieren dürfen, finden wir Handwerker viel schneller einen Parkplatz in der Nähe unserer Kundschaft. Das ist positiv.»
Die Familie Gerteis, das wird bei diesem Besuch deutlich, legt Wert auf Tradition und auf Töss. Zur Tradition gehört es etwa, dass Stefan Gerteis seinen Mitarbeitenden die Aufträge in Papierform übergibt und kein Email schickt: «Für mich sind die Arbeitsabläufe so einfacher», hat er festgestellt. Zur Tradition gehört es auch, in den Tössemer Sportvereinen aktiv zu sein; selbst die beiden elf- und vierzehnjährigen Jungs von Tanja und Stefan Gerteis spielen Fussball im FC und Faustball im TV Töss. Und traditionell ist nicht zuletzt die Rollenteilung des Ehepaars als Team: Er macht das Technische und die Planung, sie ist zuständig für die Finanzen und das Büro. Wieso auch soll man solche Traditionen ändern, wenn man eine über hundertjährige Firma führt, die immer noch am Puls der Zeit lebt.
Martin Gmür, Text und Bilder