Fledermausunterschlüpfe darf man
per Gesetz nicht zerstören
Auch wer keinen Garten hat, kann etwas zum Schutz der Fledermäuse beitragen. In der Datenbank der Regionalen Koordinationsstelle Fledermausschutz Kanton Zürich gibt es kaum Einträge über Fledermausquartiere in Töss. Das ist schade, findet Lea Morf, eine der beiden Fledermausschutz-Beauftragten des Kantons Zürich. Karin Salm hat sie zum Gespräch getroffen.
Im Sommer freue ich mich immer darüber, wenn ich von meinem Balkon aus die Fledermäuse über der Wiese beim Schulhaus Tössfeld fliegen sehe oder sie auf einem Abendspaziergang beim Kirchgemeindehaus Töss oder von der Metzgerbrücke aus entdecke. Ist Töss ein gutes Quartier für Fledermäuse?
Lea Morf: Mit der Nähe zur Töss und zum Wald und mit dem Kanal im Chrugeler hätte Töss gute Voraussetzungen. Aber wenn ich in unserer Datenbank schaue, wo wir die uns bekannten Fledermausquartiere mit grünen Punkten markiert haben, ist Töss ein blinder Fleck. Hier sind uns sehr wenige Quartiere bekannt. Am Heiligberg oder Rosenberg sieht es besser aus. Viele Fledermäuse haben wir so oder so nicht in Städten. Die einzigen, die hier gut zurechtkommen, ist die Zwerg- Rauhaut- und Weissrandfledermaus. Das sind auch die Arten, die Du im Sommer gesehen hast.
Wie kommt es denn, dass ich Fledermäuse sehe, obwohl in Töss so wenig Fledermaus-Quartiere gemeldet sind?
Lea Morf: Es könnte sein, dass es bei Dir in der Nähe eine Kolonie gibt, die wir nicht kennen. Wenn dort irgendwo eine 50köpfige Kolonie lebt, dann siehst Du sie jagen. Es kann auch sein, dass Du an einer Flugroute wohnst und sie auf dem Weg in ihren Jagdlebensraum über der Wiese einen Stopp machen, um dort abzujagen. Der Siedlungsraum ist nicht das eigentliche Jagdgebiet der Fledermäuse. Und: Die Meldungen, die wir haben, sind Zufallsmeldungen. Es kann also durchaus sein, dass die Tössemer:innen bis jetzt nur wenig gemeldet haben. Zudem hat Töss wenig Pärke.
Kann ich erkennen, ob es sich um Zwerg- oder Weissrandfledermäuse handelt? Ich sehe bloss dunkle Taschentücher, die herumschwirren.
Lea Morf: Das ist ganz schwierig. Wenn man im Siedlungsraum Fledermäuse sieht, sind es mit allergrösster Wahrscheinlichkeit Pipistrellus-Arten: Zwergfledermäuse, Weissrand- oder Rauhautfledermäuse. Das sind die kleinen Arten mit 20 Zentimeter Spannweite. Alle anderen Arten sind lichtscheu und fliegen direkt in die Wälder oder zu den Gewässern. Um diese Arten zu unterscheiden, braucht es ein technisches Gerät – einen Detektor. Aber auch mit dem braucht es viel Erfahrung, um die drei Arten voneinander zu unterscheiden.
Erzähl etwas über die Nahrung und das Fressverhalten der Fledermäuse.
Lea Morf: In Europa ernähren sich alle Fledermausarten von Insekten und Spinnen. Diese finden sie mit der Echoortung: Mit ihrem Kelhkopf senden sie Rufe aus und erkennen anhand des Echos die Distanz, Oberflächenbeschaffenheit und Richtung. Wenn sie ein Insekt entdeckt hat, werden die Rufe schneller, weil sie ein millimetergenaues Bild braucht.
Fledermäuse fressen pro Nacht offenbar recht viel.
Lea Morf: Ja, einen Drittel bis zur Hälfte ihres Körpergewichts. Das ist nicht erstaunlich, weil sie mehrere Stunden sehr schnell unterwegs sind und das Rufen viel Energie kostet. Die Rufe grosser Fledermausarten, die gleich am Kehlkopf gemessen werden, entsprechen der Lautstärke eines Pressluftbohrers. Zudem müssen die Mütter noch die Jungen aufziehen und säugen. Das sind gewaltige Leistungen!
Wie erkennt man, dass sich eine Fledermaus ein Quartier ausgesucht hat?
Lea Morf: Die Siedlungsfledermäuse haben ihre Hangplätze in den Gebäuden, zur Jagd gehen sie in die Natur. Sie sind in der Regel nicht im Zentrum der Siedlungsräume, sondern an deren Rändern. Man kann das Haus beobachten und warten, ob Fledermäuse aus- oder einfliegen. Das ist zeitaufwändig. Am besten sucht man nach Kotspuren bei Orten, die sich potenziell als Unterschlüpfe eignen – also hinter Fensterläden oder Wandverschalungen, in Dachstöcken, im Rollladenkasten oder zwischen Dachhängel und Ortbrett. Der Kot der Fledermäuse sieht aus die Mäusekot. Weil Mäuse Pflanzen fressen, ist ihr Kot hart und zäh, die dunklen «Reiskörner» der Fledermäuse sind krümelig und zerbröseln. Wenn man Fledermauskot gefunden hat, schaut man einfach nach oben und sucht den kleinen Spalt, wo die Feldermaus reinschlüpft.
Was soll ich tun, wenn ich Kotkügelchen und den schmalen Spalt gefunden habe?
Lea Morf: Unbedingt bei uns melden! Im Kanton Zürich haben wir 3500 Fledermaus- Unterschlüpfe registriert. Das ist nur möglich dank der Menschen, die uns das gemeldet haben. Unsere ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen gehen dann vor Ort und nehmen die Daten auf. Es ist interessant: Wir wissen, dass es im Zürcher Weinland von Fledermäusen wimmelt, aber wir haben nicht entsprechend viele Meldungen. Warum? Für die Bauern sind Fledermäuse vielleicht nichts Besonderes. Die hat man einfach und muss die nicht melden. Darum sind die Meldungen aus dem Weinland in unserer Datenbank unterrepräsentiert. Gut möglich, dass das in Töss auch so ist.
Für Euch wäre es interessant, wenn Leute aus Töss oder Tössfeld aufmerksam sind?
Lea Morf: Auf jeden Fall. Fledermausunterschlüpfe darf man per Gesetz nicht zerstören. Eine Renovation ist potenziell immer eine Zerstörung. Leider melden viele Leute die Unterschlüpfe nicht, weil sie nicht wollen, dass ihnen bei Bauvorhaben dreingeredet wird. Wir prüfen jede Woche das Amtsblatt mit den Baugesuchen, bei einer Übereinstimmung mit unserer Datenbank nehmen wir mit der Bauherrschaft Kontakt auf, damit wir die Renovationen begleiten können. Unser oberstes Ziel ist der Erhalt der Fledermausunterschlüpfe. Wenn das nicht möglich ist, suchen wir nach Ersatzmassnahmen wie Fledermauskästen. Pro Jahr begleiten wir zirka 130 Renovationen.
Du hast die Fledermauskästen erwähnt. Sind sie ein gutes Mittel, um Fledermäuse zu fördern?
Lea Morf: Wenn man gerade eine Hebebühne oder ein Gerüst am Haus hat, kann man sicher Fledermauskästen montieren. Das ist eine schöne aber nicht die wichtigste Massnahme, da die Kästen im Vergleich zu Vogelkästen eher schlecht besiedelt werden. Nebst dem Mangel an Unterschlüpfen ist der Insektenrückgang aufgrund von Pestiziden ein sehr grosses Problem für die Fledermäuse. Darum sind naturnahe Gärten um ein X-Faches wichtiger und zielführender als Fledermauskästen. Wildblumen und in der Dämmerung blühende Pflanzen ziehen Insekten an und liefern damit die Nahrung. Superwichtig ist auch, auf Beleuchtung zu verzichten, und wenn es Beleuchtung braucht, Sensoren einzusetzen. Wichtig ist natürlich auch, biologisch einzukaufen.
Nun habe ich keinen Garten.
Lea Morf: Man kann auch einen Balkon fledermausfreundlich gestalten, indem man Wildblumen in Kisten und Töpfen hat und diese mit Blumen, die nachts blühen, ergänzt. Auch hier sind Nachkerzen ideal.
Ist das nicht nur Kosmetik?
Lea Morf: Wenn man eine Fledermauskolonie in der Nähe hat, nützt es definitiv. Wenn man bedenkt, dass eine Fledermaus pro Nacht 2000 bis 3000 Insekten braucht, ist jede Unterstützung hilfreich – auch auf Deinem Balkon, da ja über der Wiese beim Tössfeldschulhaus Fledermäuse unterwegs sind. Jede Massnahme, die Insekten fördert, ist gut. Davon profitieren auch die Vögel.
Interview: Karin Salm
Fledermaus-Exkursion in Töss
Freitag, 13. Juni 2025, 20.15 Uhr, Kath. Kirche Töss
Gaby Staehlin vom Fledermausschutz Winterthur zeigt uns, wo die fliegenden Säugetiere nachts jagen und wie fledermausfreundliche Gärten aussehen. Die Exkursion findet bei jedem Wetter statt.